Politische Stürme und ihre flüchtigen Auswirkungen auf die Börse
Autor: Luca Mialki
05. September 2024
Am 5. November entscheiden die Amerikaner über ihren nächsten Präsidenten für die kommenden vier Jahre. Gleichzeitig werden auch die Abgeordneten des Repräsentantenhauses und ein Drittel des Senats neu besetzt. Der amtierende Präsident Joe Biden verkündete Ende Juli seinen Verzicht auf eine weitere Kandidatur, woraufhin die Demokraten Vizepräsidentin Kamala Harris ins Rennen schickten. Umfragen zufolge zeichnet sich ein enges Duell zwischen Harris und Ex-Präsident Donald Trump ab.
Nach dem überraschenden Rücktritt von Präsident Biden zogen die Demokraten in den Umfragen binnen einer Woche mit den Republikanern gleich, was das Rennen um die Präsidentschaft wieder offen gestaltete.
Das Rennen um die US-Präsidentschaft sorgt an den Börsen in den Wahlkampfjahren regelmäßig für Turbulenzen. Kaum ein Ereignis bewegt die Märkte kurzfristig so stark wie der Machtwechsel im Weißen Haus. Die politischen Prioritäten der beiden Lager nehmen Einfluss auf verschiedene Sektoren und Volkswirtschaften. Doch welche Volkswirtschaften ziehen Vorteile aus den politischen Weichenstellungen in den USA – und welche Sektoren stehen bereit, vom nächsten Machtwechsel zu profitieren?
Wir vergleichen die wirtschaftspolitischen Ziele in den Sektoren: Energie, Finanzen und der Industrie.
Grüne Welle oder fossile Rückkehr
Trumps Ansatz würde wahrscheinlich bestehende Investitionen in erneuerbare Energien streichen und die staatliche Unterstützung auf fossile Brennstoffe verlagern. Der ehemalige Präsident hat sich für schnellere Genehmigungsprozesse, eine Lockerung der Umweltvorschriften und erweiterte Steuervorteile für Öl- und Gasunternehmen ausgesprochen. Während Giganten wie Exxon Mobil Corp. (XOM) und Chevron Corp. (CVX) von solchen Maßnahmen profitieren könnten, würden sie möglicherweise weniger von einem Boom profitieren als kleinere, rein auf den US-Markt ausgerichtete Energieunternehmen wie das 4,5 Milliarden Dollar schwere Explorationsunternehmen SM Energy Co. (SM), das durch Trumps Politik möglicherweise einen deutlicheren Vorteil erfahren könnte.
Die Biden-Regierung setzt auf entschlossene Maßnahmen gegen den Klimawandel, und Kamala Harris würde, falls sie siegreich ist, diese Agenda in ihrer eigenen Administration fortsetzen. Ein demokratischer Sieg würde vermutlich eine Welle neuer staatlicher Investitionen in erneuerbare Energien auslösen, darunter Subventionen und Steuererleichterungen für Unternehmen wie das Solartechnologieunternehmen Enphase Inc. (ENPH), die wichtigen Produktionsstandorte in den USA haben. Ein solcher Kurs könnte die erneuerbaren Energien als Zukunftsbranche stärken und zu einem bedeutenden Wachstum für Unternehmen in diesem Sektor führen.
Deregulierung oder Wall Street-Kontrolle
Donald Trump hat bereits unter Beweis gestellt, dass er die Regulierung der Finanzindustrie drastisch zurückfahren kann. Sollte er im Jahr 2024 das Amt des Präsidenten erneut besetzen, ist zu erwarten, dass er seinen vergangenen Kurs für die Finanzindustrie fortsetzen wird. Besonders markant war sein Vorstoß, die Vorschriften für fairen Wohnungsbau im Ministerium für Wohnungsbau und Stadtentwicklung zu lockern und das umfassende Gesetz zur regulatorischen Entlastung von 2018 durch den Kongress zu bringen, das auf Reformen des Dodd-Frank Act abzielte. Diese Deregulierungspolitik Linie würde voraussichtlich die Lage für die Großbanken verbessern.
Im Gegensatz dazu verfolgt Kamala Harris eine ganz andere Strategie. Als ehemalige Generalstaatsanwältin von Kalifornien hat sie sich in der Vergangenheit wiederholt den US-Großbanken entgegengestellt, um den von Zwangsvollstreckungen betroffenen Bürgern zu helfen und ein Hilfspaket in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar aufzulegen. Zudem ist sie rigoros gegen Kreditgeber für Studentenkredite vorgegangen, um deren aus ihrer Sicht unfaire Praktiken zu bekämpfen. Diese Erfahrungen geben einen klaren Hinweis darauf, wie Harris die Finanzaufsichtsbehörden auf Bundesebene führen könnte. Ein Wahlsieg von Harris im November könnte daher bedeuten, dass die Wall Street sich auf eine deutlich strenger regulierte Finanzlandschaft einstellen muss.
Ein Parteiübergreifender Konsens
Es ist kaum übertrieben zu sagen, dass Donald Trump eine klare Abneigung gegen China hegt, er hat seine Kritik an der chinesischen Konkurrenz in aller Deutlichkeit geäußert. Er zieht die Einführung eines pauschalen 10-prozentigen Zolls auf alle US-Importe in Betracht, was erhebliche Folgen für multinationale Unternehmen hätte, die auf internationale Märkte und Lieferketten angewiesen sind. Ein Beispiel ist Apple, das 2023 etwa 19 % seines Umsatzes in China erzielte.
Auf der anderen Seite könnte Trumps protektionistische Haltung eine Renaissance für kleine Hersteller und Industriebetriebe, die fast ausschließlich in den USA produzieren bedeuten. Auch „Made in the USA“-Aktien könnten einen signifikanten Aufschwung erleben, während internationale Firmen unter den neuen Handelsbarrieren leiden würden.
Doch auch die Strategie von Kamala Harris birgt Komplexität. Die Biden-Administration hat in den letzten vier Jahren beeindruckende 250.000 neue Arbeitsplätze in der US-Autoindustrie geschaffen. Jedoch fördert die Demokratische Partei gezielt Elektrofahrzeuge und alternative Energien, was nicht allen Fahrzeugherstellern gleichermaßen zugutekommt.
Zudem hat die Biden-Regierung mit dem CHIPS and Science Act 2022 eine starke Fokussierung auf Hightech-Produktion und die Stärkung der Lieferketten in der Halbleiterindustrie gesetzt. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Halbleiterbranche zu stärken, während traditionellere Industrien möglicherweise weniger profitieren.
Beide Parteien haben sich öffentlich für die Unterstützung des verarbeitenden Gewerbes und den Schutz heimischer Lieferketten ausgesprochen, während sie gleichzeitig gegen China vorgehen wollen. Doch hinter diesen umfassenden Erklärungen verbergen sich unterschiedliche Schattierungen und Auswirkungen auf verschiedene Sektoren. Die konkreten Maßnahmen des künftigen Weißen Hauses könnten daher entscheidend dafür sein, wie sich der Industriesektor entwickeln wird.
Politische Börsen haben kurze Beine
Der US-Wahlkampf sorgt alle vier Jahre für Unruhe an den Börsen, da politische Strategien von Kandidaten wie Trump und Harris unterschiedliche Akzente setzen. Trump verfolgt eine Deregulierungspolitik, die insbesondere großen Unternehmen in traditionellen Industrien wie fossilen Brennstoffen und der Finanzbranche zugutekommt. Harris hingegen steht für strengere Regulierungen und eine stärkere Unterstützung erneuerbarer Energien sowie sozialer Gerechtigkeit in der Wirtschaftspolitik. Diese klaren Gegensätze in einigen Sektoren führen zu kurzfristigen Marktbewegungen, da Anleger versuchen, sich auf die potenziellen Auswirkungen der Wahlentscheidungen einzustellen. Doch langfristig zeigt sich immer wieder, dass fundamentale Marktkräfte, technologische Entwicklungen und globale Trends einen größeren Einfluss haben als die politische Großwetterlage. Politische Entscheidungen setzen zwar Impulse, verlieren jedoch im Laufe der Zeit an Bedeutung gegenüber den wirtschaftlichen Realitäten und Unternehmensstrategien, die die Märkte nachhaltig formen.
Über den Autor
Luca Mialki ist seit 2021 als Junior Analyst bei fiindo tätig und bringt mit seinem VWL-Studium frische Perspektiven in das Team. Seine Begeisterung für die Aktienmärkte und sein lösungsorientiertes Denken machen ihn zu einer wertvollen Unterstützung. Durch seine Neugier für neue und innovative Investmentmöglichkeiten ist er stets auf dem aktuellen Stand der Dinge.
Über den Autor
Dustin Klass ist CEO und Mitgründer von fiindo und verfügt über langjährige Erfahrung auf dem Finanzmarkt. Er setzt auf innovative Technologien, um Finanzwissen für jeden zugänglich und verständlich zu machen. Seine Leidenschaft gilt dabei der Idee, dass Finanzen nicht nur nützlich, sondern auch unterhaltsam sein können.
Über den Autor
Tom Griebel ist seit 2021 als Junior Analyst bei fiindo tätig und bringt frische, innovative Perspektiven ins Team. Mit einem Bachelor in Betriebswirtschaft und der Leidenschaft für die Aktienmärkte überzeugt er durch Neugier und Engagement. Auch in seiner Freizeit bleibt er den Kapitalmärkten treu und steht im ständigen Austausch mit Investoren aller Art.